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Harald Welzer – vom Aufhören.


Kaum einer schreibt einen Nachruf auf sich selbst. Harald Welzer hat es getan. Für uns.

Sehr gutes Buch, das immer wieder, Seite um Seite, zum Nachdenken anregt und gekonnt den Horizont des Lesers erweitert. Wer sich fragt, warum wir mit den aktuellen Krisen auf dieser Erde so schwer fertig werden, sollte reinlesen.

Ich zitiere ein paar Gedanken aus dem Buch. Alles Worte von Harald Welzer.

„Die Kulturgeschichte des 21. Jahrhunderts wird diesen Move vom Handeln zum Zielesetzen dereinst vielleicht lustig finden, vielleicht aber auch nicht. Jedenfalls ist das Formulieren von Klimazielen die vornehme Fassung der klassischen Lebenslüge, da es ja dazu dient, trotz besserer Einsicht so weitermachen zu können wie bisher. Anders gesagt: Das Setzen des Ziels blockiert den Weg dahin.“

„Mit wachsendem Wohlstand und jeweils neuer Technologie wächst die Möglichkeit der Einzelnen, über die Welt zu verfügen.“

Gesteigerter Weltverbrauch gilt in den Medien wie in der Werbung wie in der Wirtschaft wie in der Politik nach wie vor als wünschenswert und wird entsprechend subventioniert und beworben.“

„So funktioniert der Kapitalismus: In aller Geschmeidigkeit ist er in der Lage, wirtschaftlich zu inkorporieren, was sich ursprünglich kritisch zu ihm verhielt. Auch Umweltbewusstsein kann zur Eigenschaft von Ware werden.“

„Was einem nicht bewusst ist, kann man auch nicht kritisieren oder in Zweifel ziehen.“

„In nur hundert Jahren wurde mehr Energie verbraucht als während der kompletten 200.000 Jahre Menschheitsgeschichte davor.“

„Die Verbesserung, gar Optimierung von Prozessen, die in die falsche Richtung laufen, verschlimmert alles.“

„Und was eine ganz große Rolle spielt in meinem Leben, Sie werden lachen, ist tatsächlich das Future II. Die Perspektive: Wie werde ich gelebt haben, wie will ich gelebt haben, was will ich mit meinem Leben gemacht haben, welche Wege will ich gegangen sein?“

„Wenn man nur auf Strukturen und Systeme schaut, wird man systematisch übersehen, dass es bei allen Sachzwängen und „objektiven“ Verhältnissen immer auch auf die Einzelnen ankommt, die genau jenen Unterschied machen, der die Entwicklungen in eine andere Richtung dreht. Auch da geht es um Leute, die sich nicht nach ihren „objektiven Interessen“ und nach Kriterien der „individuellen Nutzenmaximierung“ verhalten und deren Handeln sich weder system- noch strukturtheoretisch entschlüsseln lässt. Die machen einfach etwas. (…) Das sind zum Beispiel diejenigen, die irgendwann ein erstaunliches Engagement an den Tag legen und dieses im Laufe ihres Lebens immer noch erweitern.“

„Menschen können für eine Weile, aber nicht auf Dauer gegen die Blockaden und Hindernisse anarbeiten, die Engagement erschweren. Deshalb besteht eine vergessene Aufgabe der Politik in der Demokratie darin, die Handlungsspielräume der Menschen so zu erweitern, dass die sich ermächtigt fühlen, eigeninitiativ und auch auf eigenes Risiko Missstände zu beseitigen oder Ideen umzusetzen, die das Gemeinwohl erhöhen.“

„…es gibt eine moralische Verantwortung, gegen Dummheit Position zu beziehen, wo immer sie in Erscheinung tritt.“